Heute kommen wir zu dem Team, das nach Meinung von Ryan Tannehill in der AFC South spielen müsste, aber dennoch der AFC East angehört: Die Miami Dolphins. Unsere Fragen hat Christoph Biermann beantwortet.
1. Wie ist deine persönliche Einschätzung zum Dion-Jordan-Pick und wie passt er in das Team?
Antwort: Ich mag den Pick, da ich Jordan als besten Defense-Spieler in dieser Draft Class gesehen habe. Er hat alle körperlichen Voraussetzungen, um mal ein überragender Pass Rusher zu werden. Man sollte die Erwartungen in der Rookie-Saison aber nicht zu hoch ansetzen, da er zum einen gerade erst von einer Schulterverletzung genesen ist und zum anderen ein völlig neues System und eine neue Rolle lernen muss. In Oregon hat er 3-4 Outside Linebacker gespielt und wurde sehr vielseitig eingesetzt (z.B. auch sehr viel Coverage). Miami spielt eine Hybrid Defense (sowohl 4-3, als auch 3-4 oder 4-2-5), da wird er sich zunächst daran gewöhnen müssen als 4-3 Defensive End zu spielen. Falls diese Umstellung gelingt, hätte man natürlich mit Dion Jordan und Cameron Wake ein Pass-Rusher-Duo das seinesgleichen sucht.
2. In Sean Smith und Vontae Davis haben die Dolphins in den letzten beiden Jahren zwei Starter auf der Cornerback-Position verloren. Mit Brent Grimes haben sie einen Ersatz mit langer Verletzungshistorie geholt. Wie schnell werden Jamar Taylor (zweite Runde) oder Will Davis (dritte Runde) bereit sein, zu starten?
Antwort: Falls Brent Grimes seine schwere Verletzung (Achillessehnenriss) gut überwinden kann und ansatzweise wieder so spielen kann wie in Atlanta, ist er definitiv ein Starter. Die Dolphins spielen unter Defensive Coordinator Kevin Coyle überwiegend Zone Coverage, da passt Grimes sehr gut rein. Außerdem kommt Richard Marshall von einer Verletzung zurück, ich sehe ihn als guten Nickel CB aber nicht unbedingt als Starter. Ähnlich sieht es bei Dimitri Patterson aus. Er ist zwar bei den Coaches sehr beliebt aber wurde zuvor auch schon von mehreren Teams entlassen. Von den anderen Cornerbacks auf dem Roster (Carroll, Stanford, Pressley) halte ich nicht viel. Das heißt einer der beiden angesprochenen Rookies sollte möglichst früh in der Lage sein auf Starting-Cornerback-Niveau zu spielen. Hier würde ich eher auf Jamar Taylor setzen, der am Ende der zweiten Runde in meinen Augen ein super Pick war. Ich denke er kann direkt Starter werden. Bei Will Davis bin ich da etwas skeptischer. Ich denke, er passt als Zone-Cornerback gut ins System, aber er wird Zeit benötigen, um die Umstellung von einem kleinen College (Utah State) zur NFL zu schaffen. Ich sehe ihn eher als „Developmental Guy“.
3. Welcher Rookie wird vermutlich die meiste Spielzeit bekommen?
Antwort: Dion Sims wird direkt als zweiter Tight End (Blocking TE) in der Offense fungieren. Da die Dolphins häufig mit zwei Tight Ends spielen, wird Sims wohl recht viel Spielzeit bekommen.
4. Von welchem undrafted Free Agent erwartest du am meisten?
Antwort: WR Chad Bumphis sorgte im Training Camp für Aufsehen und hat gute Chancen, den durch die Verletzung von Armon Binns frei gewordenen Platz als vierten WR zu ergattern. Bumphis ist zwar kein Speedster, aber mit gutem Route Running und sicheren Händen erinnert er in Miami etwas an den nach Cleveland getradeten Davone Bess, der 2008 selber als undrafted Free Agent den Sprung ins Team geschafft hat und seither als einer der besseren Slot Receiver der Liga gilt.
5. Welcher Draft Pick deines Teams hat dich am meisten begeistert?
Antwort: Mike Gillislee hat in meinen Augen das Potential zum Starting Running Back. Wenn er meine Erwartungen erfüllt (teilt sich das Backfield mit Lamar Miller), wäre er in Runde fünf ein absoluter Steal. Auch der Dion-Jordan-Pick in Runde eins hat mich begeistert. Wenn er sich gut entwickelt, kann er mal ein Top Pass Rusher werden. Viele in Miami vergleichen sein physisches Potential bereits mit Jason Taylor. Außerdem mag ich Dallas Thomas in Runde drei. Er ist ein sehr agiler Spieler, der bestens ins Zone-Blocking-System von Coach Philbin passt. Ich denke, er könnte sich zu einem sehr guten Left Guard entwickeln und im Notfall auch mal als Offensive Tackle aushelfen.
6. Welcher Rookie aus 2012, der bisher etwas unter dem Radar geflogen ist (höchstens zwei Starts), könnte 2013 den Durchbruch schaffen?
Antwort: Definitiv RB Lamar Miller. Coach Philbin hat öffentlich eingestanden dass man Miller letzte Saison zu wenig Spielzeit gegeben hat. Man hat Reggie Bush mehr oder weniger freiwillig (ohne ein vernünftiges Angebot abzugeben) als Free Agent nach Detroit ziehen lassen, da man der Meinung ist, dass man mit Lamar Miller bereits den zukünftigen Starter auf der Running-Back-Position im Roster hat. Wenn er sein Pass Blocking noch verbessern kann (ein Problem das viele junge Running Backs haben) und er sich im internen Konkurrenzkampf gegen Mike Gillislee und Daniel Thomas durchsetzen kann, traue ich ihm zu, ein richtig guter Starting Running Back in der NFL zu werden.
Als absoluten Sleeper habe ich noch Free Safety Kelcie McCray auf dem Zettel. Er war letztes Jahr ein undrafted Free Agent und zeigte riesiges Potential im Training Camp, bevor er sich verletzte und seine komplette Rookie-Saison aussetzen musste. Jetzt ist er zurück und versucht erst mal den Sprung auf den 53er Roster zu schaffen. Sollte ihm dies gelingen wäre der nächste Schritt, Starting Free Safety Chris Clemons (FA nach der Saison) seinen Stammplatz streitig zu machen.
7. Die Dolphins waren eines der aktivsten Teams im Draft und waren in viele Trades verwickelt. Warst du zufrieden mit der Strategie des Managements?
Antwort: Größtenteils war ich zufrieden. Der Uptrade von Nummer zwölf auf Nummer drei war verhältnismäßig günstig (hat nur einen Second Rounder gekostet), da hat man die Raiders schön über den Tisch gezogen. Leider hat sich GM Jeff Ireland dann am Ende der dritten Runde etwas verspekuliert als er zunächst in die vierte Runde runtergetradet hat, nur um dann ein paar Picks später wieder hochzutraden da plötzlich viele seiner Wunschspieler vom Board gingen. An dieser Stelle war der Will-Davis-Pick in meinen Augen ein leichter Reach.
Ireland wurde in Miami häufig kritisiert weil er dazu tendiert, die sichereren Picks zu machen und keine Boom-or-Bust Picks. In diesem Jahr war meiner Meinung nach klar erkennbar, dass Ireland auch hier und da mal ein Risiko eingegangen ist. Dion Jordan ist meiner Meinung nach genauso ein Risiko-Pick. Er kann sich zu einem Top Pass Rusher entwickeln, aber er hat keinerlei Erfahrung als DE in einer 4-3 Defense (siehe Frage 1). Die komplette Draft-Strategie geht nur dann auf, wenn entweder Jonathan Martin oder Dallas Thomas sich zu einem soliden Left Tackle entwickeln können. Sollte dies nicht der Fall sein ist Quarterback Ryan Tannehill in Trouble, denn ohne einen soliden Left Tackle hat kein QB der Welt genug Zeit, um dauerhaft auf hohem Niveau zu spielen. Falls dies der Fall sein sollte, werden die Medien sich auf Jeff Ireland stürzen und fragen, warum er nach dem Uptrade an Nummer drei nicht OT Lane Johnson genommen hat.
Insgesamt bin ich aber durchaus zufrieden mit dem Draft der Dolphins. In Runde eins wurde ganz klar BPA (best player available, Anm. d. Red.) gepickt und ein potenzieller Impact Player für die Defense geholt. In den Runden zwei und drei wurden dann die Needs auf Cornerback und in der O-Line abgedeckt und in Runde vier wurden mit Tight End Dion Sims und Linebacker Jelani Jenkins zwei Spieler geholt, die zwar vielleicht keine vollwertigen Starter werden, aber direkt eine Rolle im Team einnehmen können/sollen. Sims ist nach dem Abgang von Anthony Fasano als Blocking Tight End eingeplant. Alle anderen Tight Ends auf dem Roster sind zwar gute Receiver aber keine guten Blocker (Dustin Keller, Charles Clay, Michael Egnew). Nach den Abgängen von Karlos Dansby und Kevin Burnett fehlte ein Linebacker, der seine Stärken in der Coverage hat (Wheeler, Ellerbe und Misi haben alle ihre Stärker eher als Run Stopper und Blitzer). Jenkins ist genau der Coverage-Linebacker, der noch gefehlt hat, um gegnerische Tight Ends und Running Backs im Passspiel zu stoppen. Über Mike Gillislee in Runde fünf habe ich ja bereits in Frage 5 meine Meinung zum Ausdruck gebracht. Mit Caleb Sturgis hat man dazu noch einen Kicker geholt, der dem zuletzt etwas schwächelnden (und deutlich überbezahlten) Dan Carpenter seine Position streitig machen soll. Ich denke Carpenter hat nur eine Chance den Kicking-Job zu behalten wenn er einem drastischen Pay-Cut zustimmt (derzeit $2,86 Mio. Gehalt) und zudem in Training Camp und Preseason bessere Leistungen zeigt als Caleb Sturgis.
Zusammengefasst: Ein Boom-or-Bust Pick nach Uptrade in Runde eins, in Runde zwei bis vier die Needs abgedeckt und in Runde fünf einen potenziellen Steal als Starting Running Back gelandet. Falls der Gamble mit Dion Jordan aufgeht und die Left-Tackle-Position ordentlich besetzt ist war es ein super Draft. Falls nicht dürfte es wohl der letzte Draft von Jeff Ireland in Miami gewesen sein.
Deine Vermutung mit Carpenter war richtig, ist mittlerweile schon gecuttet worden.