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Draftrückblick 2014: San Francisco 49ers

Zwölf Picks hatten die San Francisco 49ers im abgelaufenen Draft, es gibt also viel zu analysieren in unserem Draftrückblick. Die 49ers, angeführt von einer bockstarken Defense (trotz des zwischenzeitlichen Ausfalls von Pass Rusher Aldon Smith), erreichten die Playoffs und drangen dort bis zum NFC Championship Game vor. Ein Spiel vor dem Super Bowl war aber Schluss gegen den Divisionsrivalen aus Seattle. So hatte man den drittletzten Pick in der ersten Runde des Drafts, an 30. Stelle.

 

Dort wählte man S Jimmie Ward von Northern Illinois. Ward war in diesem Draft der Safety mit den besten Fähigkeiten in Manndeckung. Entsprechend oft durfte er am College den Slot covern. Genau das soll auch seine Aufgabe bei den 49ers sein – zumindest im ersten Jahr. Eric Reid, der Erstrundenpick aus dem letzten Jahr, und Antoine Bethea, in der Free Agency aus Indianapolis gekommen, sind als Starter bei den Safeties eingeplant. Auf lange Sicht sollen vermutlich Ward und Reid zusammen die beiden Positionen besetzen, wobei die Rollen zwischen Free und Strong Safety bei den beiden fließend ineinander übergehen. Reid spielt im Moment den Free Safety, ist aber auch ein harter Hitter. Wards Fähigkeiten in Man Coverage sprechen dafür, dass er ein Strong Safety wäre, allerdings ist er etwas allergisch gegen Kontakt. Entsprechend ergänzen sich die beiden sehr gut und könnten ein starkes Duo bilden. Der Pick macht auch Sinn, weil die 49ers in Carlos Rogers, Tarell Brown und Donte Whitner drei Defensive Backs verloren (entlassen im Fall von Rogers) haben. Man könnte vielleicht argumentieren, dass Ward hier eine halbe Runde zu früh vom Board gegangen ist, aber die Jungs aus San Francisco werden schon wissen, was sie tun.

 

In der zweiten Runde überkam die 49ers der Trade-Wahnsinn. Mit dem Pick, den sie von den Chiefs für Alex Smith erhalten hatten, tradeten sie zunächst ein paar Picks runter, weil die Broncos für Cody Latimer hoch wollten. Dafür bekamen sie den Fünftrundenpick der Broncos und deren Viertrundenpick im nächsten Jahr, wobei die Broncos noch einen Siebtrundenpick der 49ers erhielten. Einen Pick später tradeten die 49ers aber gleich wieder hoch, gaben den Zweit- und Fünftrundenpick, die sie gerade erst von den Broncos erhalten hatten, an die Dolphins ab. Insgesamt haben sie den Viertrundenpick der Broncos im nächsten Jahr gewonnen, waren dafür einen Pick später an der Reihe und haben vermutlich immer noch den Spieler bekommen, den sie wollten. Insofern eine gute Sache, aber schon etwas merkwürdig. Ihren eigenen Zweitrundenpick gaben die 49ers auch ab an die Jaguars, die ihren Dritt- und Fünftrundenpick dafür abgaben, um Allen Robinson zu draften.

 

Mit dem einen Zweitrundenpick, den sie am Ende hatten, zogen die 49ers RB Carlos Hyde von Ohio State. Ein Pick, der zeigt, wie tief der Kader der 49ers im Moment besetzt ist. Running Back war so überhaupt kein Need, zumindest nicht in diesem Jahr. Frank Gore zeigt erstaunlicherweise keine Anzeichen von Altersschwäche, die normalerweise jeden Runner jenseits der 30 anfällt. Als Backups stehen der stets solide Kendall Hunter, der vor zwei Jahren in der zweiten Runde gezogen LaMichael James und der letztes Jahr gezogene Marcus Lattimore bereit. Gores Vertrag läuft aber nach der Saison aus und er ist halt schon 31 Jahre alt. Hunter hat bisher noch nicht gezeigt, dass er ein Featured Back sein kann, James hat die Coaches bisher wohl so wenig überzeugt, dass man bereit war, ihn für den richtigen Preis zu traden, und Lattimore ist nur noch eine größere Verletzung vom Karriereende entfernt. Hyde kann entsprechend ein Jahr lernen und dann für Gore übernehmen. In seinem Laufstil sind sich die beiden auch recht ähnlich – es geht über die Power, Speed ist nicht so vorhanden. Hyde muss nur mal lernen, wie man richtig in Pass Protection spielt, aber dafür hat er ja ein Jahr Zeit.

 

Auch in der dritten Runde gaben die 49ers ihren eigenen Pick ab, diesmal an die Browns für deren Viert- und Sechstrundenpick. Dennoch hatten sie drei Picks in Runde drei. Mit dem ersten entschieden sie sich für C Marcus Martin von USC. Auf meinem Board war Martin der erste Center und er ist definitiv der Center mit der höchsten Upside in diesem Draft. Jonathan Goodwin war bis zuletzt ein guter Center für die 49ers, mittlerweile ist er aber 35 Jahre alt und als Free Agent nach New Orleans gewechselt. Martin wird nun mit Daniel Kilgore, Goodwins Backup in der letzten Saison, um den Posten als Starter kämpfen. Martin ist ein kräftiger, gleichzeitig aber beweglicher Spieler, der aber noch sehr an seiner Technik arbeiten muss, um in der NFL zu bestehen. Allerdings ist er mit erst 20 Jahren einer der jüngsten Rookies dieser Draftklasse. Es würde mich nicht überraschen, wenn er nicht der Starter zu Beginn der Saison sein wird, auf lange Sicht sollte er sich aber durchsetzen können. Einen der wenigen Needs, den die 49ers hatten, haben sie hier sehr gut abgedeckt.

 

Ihren zweiten Drittrundenpick benutzten die 49ers für ILB Chris Borland von Wisconsin. Er ist etwas klein und kein besonders guter Athlet, dafür aber ein verdammt geiler Footballspieler. Er lebt von seiner Übersicht, seinen Instinkten und seiner Spielintelligenz. Er reißt sich auf und neben dem Feld seinen Hintern auf, um der beste Spieler zu sein, der er sein kann. Grundsätzlich wird er bei den 49ers kaum an Patrick Willis und NaVorro Bowman vorbeikommen. Allerdings wird Bowman nach seinem Kreuzbandriss in den Playoffs zu Saisonbeginn nicht wieder fit sein und es wird momentan ein Ersatz gesucht. Dabei wird sich Borland gegen den letztjährigen Backup Michael Wilhoite durchsetzen müssen, Trainingsbeobachter räumen ihm dafür aber gute Chancen ein. Wenn nicht irgendetwas Unvorhergesehenes mit Willis oder Bowman passiert, wird Borland aber wohl sein Dasein auf der Ersatzbank fristen. Willis‘ Vertrag läuft in zwei Jahren aus, mit dann 31 Jahren könnte er aber durchaus noch eine Verlängerung bekommen. Vielleicht bekommt Borland nach Ablauf seines Rookievertrages eine Chance bei einem anderen Team.

 

Mit ihrem dritten und letzten Pick in der dritten Runde wählten die 49ers OT Brandon Thomas von Clemson. Thomas wäre vermutlich eine Runde früher weggegangen, hätte er sich nicht beim Workout mit einem Team vor dem  Draft sein Kreuzband gerissen. Er besitzt nicht die ideale Größe oder Fußarbeit für einen Offensive Tackle, könnte aber einen sehr guten Guard in der NFL abgeben. Dazu besäße er dann immer noch die Vielseitigkeit, im Notfall als Tackle aushelfen zu können. Aufgrund seiner Verletzung wird er in der kommenden Saison kaum zum Einsatz kommen, wenn überhaupt. So hat er ein Jahr Zeit, sich mental und körperlich (sobald das Knie wieder hält) auf die NFL vorzubereiten. Ab 2015 kann er dann den Swing Backup geben. In den kommenden beiden Jahren haben die 49ers eine Entscheidung zu treffen. Die Verträge von den Startern Mike Iupati und Alex Boone laufen nächstes Jahr beziehungsweise in zwei Jahren aus. Sollte einer der beiden mehr verlangen, als die 49ers bereit sind zu zahlen, hätten sie Thomas in der Hinterhand.

 

In der vierten Runde hatten die 49ers zwei Picks. Mit dem ersten, dem von den Browns, zogen sie WR Bruce Ellington von South Carolina. Es war schon früher erwartet worden, dass man sich einen Receiver ziehen wolle, in der vierten Runde hat das Team aus San Francisco es dann auch getan. Ellington ist ein kleiner, schneller, wendiger, explosiver Slot-Receiver, der auch als Returner sehr gefährlich sein kann. In der Offense kann man ihn vielseitig einsetzen, im letzten Bowl Game hat er sogar einen Touchdownpass geworfen. Die 49ers waren vergangene Saison im Receiving-Korps recht dünn aufgestellt. Vernon Davis ist einer der besten Tight Ends der Liga, Michael Crabtree, der beste Receiver des Teams, verpasste die ersten zwölf Wochen der Saison nach einem Achillessehnenriss und Anquan Boldin ist mittlerweile 33 Jahre alt. Hinter den dreien machte einzig der letztjährige Draft Pick Quinton Patton Hoffnung, allerdings fiel auch er länger aus. Während des Drafts haben sich die 49ers zusätzlich die Dienste von Stevie Johnson für einen Viertrundenpick im nächsten Jahr gesichert, der ein Drittrundenpick werden könnte, sobald bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Ellington hat also einen Kampf um Einsatzzeit vor sich, besitzt aber genug Talent, um sich einen Platz auf dem Feld zu ergattern.

 

Mit ihrem zweiten Pick in der vierten Runde wählten die 49ers CB Dontae Johnson von North Carolina State. Mit diesem Pick bekommen sie wieder mehr Tiefe in ihr Defensive Backfield. Johnson ist ein großgewachsener, sprungstarker Cornerback, der auch Safety spielen kann. Allerdings scheint er, noch mehr als Ward keine Lust auf Kontakt zu haben. Dazu ist er kein überragender Athlet und seine Spielintelligenz scheint nicht die beste zu sein. In der vierten Runde kommt mir dieser Pick etwa zwei Runden zu früh.

 

In den Runde fünf bis sieben hatten die 49ers noch fünf weitere Picks. Diese investierten sie in OLB Aaron Lynch von South Florida, CB Keith Reaser von Florida Atlentic, CB Kenneth Acker von Southern Methodist, DE Kaleb Ramsey von Boston College und FB Trey Millard von Oklahoma. Lynch hätte von seinem Talent her durchaus in der dritten Runde weggehen können, aufgrund von Charaktersorgen ist er aber bis in die fünfte Runde abgerutscht. Nach dem Pick schrieb der Kraft- und Konditionstrainer von South Florida, Hans Straub, über Twitter: „Thought an organization with 5 Super Bowl titles would have a stricter draft criteria. Clearly, integrity & character are not a priority“. Anschließend wurde Straub suspendiert und er trat kurz danach von seinem Posten zurück. Millard galt in der letzten Saison als einer der besten Fullbacks am College. Über die anderen drei Spieler können Christian und ich keine genaueren Angaben machen, weil wir sie nicht genauer haben spielen sehen.

 

Mit dem Draft haben die 49ers die Tiefe ihres Kaders deutlich verstärkt und vermutlich auch den einen oder anderen Starter für die Zukunft (Ward, Hyde, Martin) gefunden. Das eine Loch, welches sie vor dem Draft hatten, auf der Center-Position, haben sie mit dem Martin-Pick gestopft, ohne für einen Center zu reachen. Der Pick von Ward kam mir eine halbe Runde zu früh, der von Johnson zwei Runden. Allerdings gibt es das in jeder Draftklasse und man sollte den Spielern erst erlauben, ihren Draftstatus zu bestätigen, bevor man die Picks groß schlechtredet. Dazu ist man in San Francisco in der bequemen Situation, dass keiner der Picks einschlagen muss, damit man in der kommenden Saison Erfolg hat. Mit dieser Draftklasse sollte aber gesichert sein, dass die 49ers auch in den kommenden Jahren weiter sehr erfolgreich sein werden.