Unser Draftrückblick ist in der aktuell besten Division der NFL angekommen – der NFC West. Dort belegten letztes Jahr die St. Louis Rams mit einer Blanz von 7-9 den letzten Platz. Hätte sich Quarterback Sam Bradford nicht im siebten Spiel verletzt wären vermutlich mehr Siege drin gewesen. Obwohl Bradford bisher nicht die hoch gesteckten Erwartungen als erster Pick im Draft 2010 erfüllen konnte, hält das Team weiterhin zu seinem Spielmacher. Allerdings geht er in sein vorletztes Vertragsjahr und im kommenden Frühjahr könnte man viel Geld sparen, wenn man ihn entließe. Es steht ein klassisches „make-or-break“-Jahr für Bradford bevor. Im Daft ging es für die Rams also darum, das Team um den Quarterback herum besser zu machen. In der ersten Runde hatten die Rams zwei Picks – ihren eigenen an 13. Stelle und den zweiten Pick, den sie im Rahmen des RG3-Trades aus Washington bekamen.
Ich hatte erwartet, dass die Rams diesen zweiten Pick traden würden, da sie in den letzten Jahren immer wieder nach unten getradet sind, um mehr Picks einzusammeln. Allerdings hatten sie kein vernünftiges Angebot oder wollten unbedingt „ihren“ Spieler haben. Die Wahl fiel auf OT Greg Robinson von Auburn. Die Tigers aus dem Staate Alabama hatten im vergangenen Jahr ein sehr dominantes Laufspiel und der wichtigste Grund dafür war Robinson. Er ist ein absolut krasser Run Blocker, der seine Gegenspieler meterweit aus dem Weg räumen kann. Auf der anderen Seite ist er aber in Pass Protection noch sehr unerfahren und hat in dem Bereich noch technische Defizite. Doch er ist noch jung (21 Jahre alt) und hat am College bloß zwei Jahre lang gespielt. Er bringt das Potential mit, einer der absolut besten Spieler in der NFL zu werden. Die Rams hatten in der letzten Saison eigentlich zwei gute bis sehr gute Offensive Tackles in Jake Long (links) und Joe Barksdale (rechts). Jedoch kommt Long von einem Kreuzbandriss zurück und bereits davor hat er sich immer wieder mit verschiedenen Verletzungen (Trizeps, Knie, Rücken, Schulter) herumgeplagt. Seine Zukunft ist trotz seines dicken Vertrages, den er letztes Jahr unterschrieb, ungewiss. Barksdale auf der anderen Seite hat einen Vertrag, der im kommenden Frühjahr ausläuft. Es ist also gut möglich, dass einer der beiden in spätestens einem Jahr nicht mehr für die Rams spielen wird (Long kann im nächsten Jahr bei relativ wenig „dead money“ getradet oder entlassen werden). Die Rams planen mit Robinson zunächst als Guard, vermutlich, damit er sich erst an die NFL gewöhnen kann, spätestens nächstes Jahr sollte er aber als Left Tackle auflaufen, sonst wäre der Pick an zweiter Stelle komplett verschwendet.
Mit ihrem zweiten Erstrundenpick zogen die Rams DT Aaron Donald von Pittsburgh. Für mich war das an 13. Stelle schon ein Steal, denn von seinem Potential hätte er auch in den Top Ten weggehen können. Die Rams haben lediglich das „Glück“, dass Donald nicht in jede Defense passt. Er ist jemand, der perfekt die Three-Technique in einer 4-3 Defense geben kann, mehr aber auch nicht. Die Rams brauchen aber auch nicht mehr, denn auf seiner Position kann Donald es zum All-Pro schaffen. Hohe Erwartungen meinerseits, aber ich habe auch „kann“ geschrieben. In seiner Spielweise, seinen Körpermaßen und seinen Athletikwerten ist er fast ein Klon eines der besten Defensive Tackles der NFL, Geno Atkins von den Bengals, ein zweimaliger All-Pro. Wenn alles ideal läuft, kann Donald genauso gut werden. Was diesen Pick betrifft, kann ich mir ein wenig selbst auf die Schulter klopfen, denn nachdem ich mir Donald angesehen hatte, sah ich die Rams gleich als Team, die ihn picken könnten. Nicht weil sie eine Schwachstelle auf Defensive Tackle hatten, sondern weil die Defensive Line mit ihm noch dominanter und zerstörerischer wird. Er wird wohl anstelle von Kendall Langford starten, der kein schlechter aber auch kein besonders guter Starter war. Mit Robert Quinn und Chris Long über Außen sowie Michael Brockers und Donald in der Mitte, haben die Rams die vielleicht beste Defensive Line in der NFL. Von diesem Pick bin ich komplett begeistert!
In der zweiten Runde gaben die Rams ihren Fünftrundenpick ab, um drei Plätze nach oben zu traden. Das Ziel ihrer Begierde: DB Lamarcus Joyner von Florida State. Ist er ein Cornerback oder ein Safety? Egal, er ist ein Baller! Ist er mit 5‘8‘‘ etwas zu klein? Egal, er ist ein Baller! Hat er bei der Combine eine gute, aber keine überragende Athletik gezeigt? Ja, aber er ist ein verdammter Baller! „All he does is make plays!“, würde der Amerikaner sagen und dem kann ich mich nur anschließen. Starke Übersicht, Instinkte, schnelle Reaktionen und die Fähigkeiten, überall im Defensive Backfield eingesetzt zu werden, machen ihn für jede Defense wertvoll. In einer Defense, die letzte Saison keinen Spieler hatte, der von Pro Football Focus positiv bewertet wurde (der einzige mit einer neutralen 0,0 war TE Jared Cook, der einen Snap in der Defense, vermutlich bei einem Hail Mary, gespielt hat), ist Joyner eine dringend nötige Verstärkung. Wie er eingesetzt wird, muss man abwarten, vermutlich aber ähnlich wie die Cardinals es mit Tyrann Mathieu getan haben. Mal als Free Safety, mal als Slot Cornerback, je nachdem, was gerade wichtiger ist. Aus meiner Sicht ein sehr guter Pick.
Bei so viel Lob meinerseits mussten die Rams ja auch mal einen Pick verhauen. Aus meiner Sicht war es in der dritten Runde soweit, als sie RB Tre Mason von Auburn zogen. Zum einen hätte ich andere Running Backs vorgezogen, zum anderen sah ich die Position nach dem starken Rookie-Jahr von Zac Stacy als so weit gut aufgestellt, dass man frühestens in der fünften Runde einen Backup hätte ziehen können. Bei Auburn hat Mason zwar starke Leistungen gezeigt, dabei aber sehr von seiner Offensive Line profitiert (siehe Greg Robinson als zweiter Pick in diesem Jahr). Er ist nicht besonders schnell, bringt dabei aber auch keine überragende Power mit. Er kann schnelle, saubere Cuts machen, zeigt eine gute Übersicht und einen starken Antritt. Als speziellen oder kompletten Running Back sehe ich Mason aber nicht. Ich bin mit nicht sicher, ob er es schaffen wird, an Stacy als Running Back Nummer eins vorbeizukommen.
In der vierten Runde wählten die Rams SS Mo Alexander von Utah State. Ich habe ihn nicht spielen sehen, kann aber schreiben, dass er ein ehemaliger Linebacker ist, der bei der Combine eine sehr starke Athletik präsentierte. 2012 war er vom Team ausgeschlossen, nach dem er einen Mitspieler geschlagen hatte und dieser anschließend beinahe gestorben wäre. 2013 wurde er wieder in die Footballmannschaft aufgenommen und er spielte sein erstes Jahr als Safety. Entsprechend unerfahren ist er auf der Position, für einen Linebacker ist er aber etwas zu leicht. Dieser Pick birgt vermutlich ein großes Risiko, wenn Alexander aber einschlägt, wäre er eine weitere Verstärkung für die Secondary. Langfristig könnte er eine Alternative zu dem im letzten Jahr gedrafteten T.J. McDonald auf Strong Safety darstellen, die sich um den Platz neben Joyner streiten.
In den letzten beiden Runden hatten die Rams insgesamt sechs Picks. In der sechsten Runde zogen sie CB E.J. Gaines von Missouri und QB Garrett Gilbert von Southern Methodist. Gaines besitzt die Fähigkeiten, ein sehr guter Special Teamer und vielleicht auch ein vernünftiger Slot Cornerback zu werden. Gilbert bekam vor dem Draft einiges an guter Presse und könnte ein interessanter Quarterback zum Entwickeln sein.
In der siebten Runde wählten die Rams OT Mitchell Van Dyk von Portland State, S C.B. Bryant von Ohio State, DE Michael Sam von Missouri und C Demetrius Rhaney von Tennessee State. Van Dyk und Rhaney sind Small-School-Spieler, die einen weiten Weg vor sich haben. Bryant habe ich genauer nicht spielen sehen, die Pass-Verteidigung der Buckeyes war letztes Jahr aber insgesamt sehr schlecht. Sam ist der erste öffentlich homosexuelle NFL-Profi, muss aber zunächst kämpfen, um überhaupt im Team zu bleiben.
Die ersten drei Picks haben mich sehr begeistert, wobei ich die ganze Guard-Geschichte um Robinson doch sehr merkwürdig finde. Man draftet einen Offensive Tackle doch nicht mit dem zweiten Pick, um ihn dann zum Guard umzuschulen. Zumal er Berichten zufolge große Schwierigkeiten mit der Umstellung hat. Da kommen spontan Erinnerungen an Robert Gallery auf, auch wenn es natürlich zu früh ist, einen Vergleich zu ziehen. Donald und Joyner sollten die sowieso schon gute Defense nochmal besser machen, womit die NFC West zur absoluten Defense-Division wird. Vom Mason-Pick war ich, wie bereits geschrieben, nicht so begeistert. Mit den vielen Picks am dritten Tag, haben die Rams sich mindestens in der Tiefe verstärkt und vielleicht bekommen sie noch den ein oder anderen Starter aus den späten Runden. Betrachtet man nur die gepickten Spieler und nicht wie sie im kommenden Jahr eingesetzt werden, ist dies aus meiner Sicht einer der besten Drafts aller Teams.
Letzte Kommentare